Dieses Lied schrieb ich mit 73 Jahren in Erinnerung an meine Kindheit. Jetzt seh ich meine Enkel spielen, toben und
Dummheiten machen, so wie ich es auch tat. |
I wrote this song when I was 73 years old, in memory of my childhood. Now I see my grandson play, run around and do stupid things,
just like I did. |
Meine Kindheit verlief bis zum 6. Lebensjahr ganz normal. Wir spielten auf dem Hof und im Garten, fuhren mit auf das Feld,
tranken den Erwachsenen das Zucker/Essigwasser bei der Heuernte weg. Wenn von dem Feld die übriggebliebenen Butterbrote wieder nach
Hause kamen stritten wir uns , wer das „Hasenbrot“ essen durfte.
| My childhood was normal up to 6 years of age. We played in the yard and in the garden, took to the field, drank the sugar/vinegar
water when the adults harvested the hay. If the leftover sandwiches came back home from the field, we argued who got to eat the
'rabbit bread'. |
Unser Großvater verstarb am 08.02.1943 in Labenz.Unser Hof war 1,5 km vom Dorf entfernt. In der Nachbarschaft gab es keine
Kinder, mit denen wir spielen konnten.
| Our grandfather [Gustov Leistiko] passed away on 08.02.1943 in Labenz. Our farm was 1.5 kilometers from the village.
In our neighborhood there were no children with whom we could play. |
Im Herbst 1944 ging ich nur wenige Wochen zur Schule. Denn da war der „ Kohlenklau“ , der die Kohle zum Heizen für die Schule
holte. Eine Symbolfigur, die die Knappheit der Versorgung zeigte. Wir hatten frei. Dies war der Ausdruck, um den Versorgungsengpass
von der Regierung zu beschönigen. Die ersten Auswirkungen des Krieges auf die Bevölkerung, die uns Kinder freute.
| In the fall of 1944, I went to school only a few weeks. For there was the 'Firestealer' who stole the coal for heating for
the school. A name that symbolized the scarcity of supply. This was the term used to make the shortage seem less
serious. The first effects of the war on the population pleased the children! |
Wir wussten noch nichts vom Krieg.
| We knew nothing of the war. |
Unser Vater Otto war als Soldat (Brückenbaupionier) am Rhein stationiert. Wir Kinder wussten da-von, dass er nicht da war, aber
ich fand es nicht schlimm. Unser Kinderleben ging wie gewohnt weiter. Auf dem Hof waren mal ein Pole, ein Russe und eine Ukrainerin für
die Arbeiten verpflichtet.
| Our father Otto was stationed as a soldier (bridge engineer) on the Rhine. We children knew that because of the war he was not
at home, but I did not find it bad. Our children's life went on as usual. On the farm, Polish, Russian and Ukrainian women were needed
for the work. |
Als erstes, was ich vom Krieg mitbekam, war das nachts um das Haus Soldaten schlichen, die von ihren Einheiten sich entfernt hatten.
| My first experience regarding the war was the night that soldiers were sneaking by our house, who had been separated from their
units. |
Ich als kleiner Junge empfand es nicht schlimm. Für mich war alles neu – so wie bei einer Abenteuerreise. Keine Schrecken –
immer etwas neues erleben, dies war doch schön. Heute seh ich es anders. Jetzt denke ich darüber nach.
| As a young boy I found it not too bad. Everything was new to me - as with a an adventurous journey. No horror - always
something new to experience, this was nice. Today I see it differently. Now I think about it. |
Irgendwann kam die Nachricht, wir sollten uns fertigmachen, um mit Pferd und Wagen den Hof zu verlassen. Dies war für uns
Kinder nun doch etwas anderes. Wir sahen, wie sich die Erwachsenen sorgten und mühten. Wir sollten zum Dorf kommen, doch wir fuhren
zu unserer Tante, die 20 Minuten entfernt wohnte.Wir blieben dort ein paar Tage und dann hieß es, wir sollten alle wieder auf den Hof
zurück und so taten wir es auch. Die Wohnung war verwüstet. Dann kamen Soldaten der sowietischen Armee und suchten nach deutschen
Soldaten. Direkte Kampfhandlungen gab es bei uns nicht. Wir sahen weiter entfernt Panzer fahren und hörten auch Kanonendonner, aber
wir sahen immer nur einzelne Soldaten, mal deutsche mal russische. Wir Jungens hatten nichts zu befürchten, doch die Frauen und
jungen Mädchen mußten sich immer verstecken. Es wurde von unserem Hof, alles was den Russen und Polen wertvoll vorkam, weggenommen.
Das Vieh wurde vom Hof getrieben. Es blieb nichts mehr auf dem Hof. Wenn man Glück hatte, konnte man vielleicht wieder eine Kuh oder
ein Pferd einfangen. Wir Kinder brauchten doch Milch. Es waren auch keine Hühner geblieben.
| At some point, word came that we should get ready to leave the farm by horse and carriage. For us children, this was now
something else. We saw how the adults worried and struggled. We were told to go to the village, but instead we drove to our aunt's
home, who lived 20 minutes away. We stayed there a couple of days and then were told we should all go back to the farm, and that is
what we did. The apartment was destroyed. Then Soviet soldiers came, searching for German soldiers. We were not involved in direct
hostilities. We saw tanks driving in the distance, and heard the thunder of cannon, but we always saw only individual soldiers,
sometimes Russian, sometimes German. We boys had nothing to fear, but the women and young girls always needed to hide. It was our
farm, but anything the Russians and Poles deemed valuable was taken away. The farm cattle were driven off. There was nothing left
on the farm. If you were lucky, you could maybe re-capture a cow or a horse. Nevertheless, we children needed milk. No chickens
remained. |
Eines Tages kam ein Pole zu uns und sagte: „ Dies ist jetzt alles meins!“
| One day a Pole came to us and said: "This is now all mine!" |
Von nun an mußten meine Großmutter und Mutter nach allem fragen, wenn sie für den Haushalt etwas brauchten. Der Erfolg hing
ganz von der Laune des Polen ab, ob sie etwas bekamen.
| From then on my grandmother and mother had to ask, if they needed something for the household. Whether they got it or not
completely depended on the mood of Pole. |
Irgend wann kamen Polen auf unseren Hof und sagten: „ Fertigmachen, in 10 Minuten raus!“ Es war der 16.12. 1945.
| One day the Pole came and said: "Get ready, in 10 minutes I want you out of here!" It was December 16, 1945. |
Wir waren 5 Erwachsenen und sieben Kinder, die dann mit den anderen Bewohnern von Labenz in der Kirche eingesperrt
wurden. Von unserer Familie waren es: Meine Mutter mit ihren Eltern, unsere Großmutter (Vaters Mutter) wir 6 Geschwister und
eine Cousine. In der Kirche blieben wir eine Nacht, wurden dann 15 km zum Bahnhof gebracht und in Viehwaggons verladen. Bei
jeder Möglichkeit wurden wir nach Wertvollem durchsucht. Es wurden viele Möglichkeiten geschaffen, um uns weiter auszurauben.
Schließlich kamen wir in Scheune an. Dort mußte jeder sehen, wie er weiterkam. Mein Großvater Franz Knuth hatte noch seinen
Ehering versteckt. Diesen löste er dann für die Weiterfahrt ein. Bei jedem Halt mit der Bahn wurden wie zum Entlausen gebracht,
ehe es weiter ging. Die erste Station waren Baracken , die noch von den Junkers Flugzeugwerken von den Fremd- und Zwangarbeitern
standen. Als Lagerstätte war eine Lage Stroh eingebracht. Diese Baracken waren total überfüllt. Es wurden Kinder, Mütter alte
Männer und Frauen alle in einem Raum untergebracht. Ich weiß nicht mehr, wann wir in diese Baracken eingewiesen wurden.
| We were 5 adults and seven children, who then were locked up in the Church, along with the other residents of Labenz.
From our family there were: my mother with her parents, our grandmother (father's mother), our 6 siblings, and a cousin. We
stayed one night in the church, then were taken 15 km to the railway station and were loaded into cattle cars. At every opportunity
we were searched for anything valuable. They robbed us at every opportunity. Finally, we arrived in Scheune. From there everyone
was responsible for themselves. My grandfather Franz Knuth still had his wedding ring, which he had hidden. He sold this to pay
for the second leg of the journey. Every time the train stopped, we were brought out for delousing before it continued on.
Finally we arrived at a station where there were barracks that were still standing, by the Junkers aircraft works, which had
been used by foreign and forced laborers. A layer of straw was being used for bedding. These barracks were overcrowded. There
were children, women, and old people, all housed in one room. I do not remember what they told us in the barracks. |
Meine Großmutter hatte am 30.12.1885 Geburtstag es wurde und konnte nicht gefeiert werden. Es dachte auch niemand daran.
Meine Großmutter war eine sehr strenge Frau. Wir mußten immer artig sein. Doch hatten wir uns die Hände erfroren, oder hatten
wir kalte Füße, so war sie die Erste, die uns mit einem warmen Stein die Füße wärmte. Ich weiß nicht ,wie sie es angestellt
hatte, aber in dem Barackenlager hatte sie für mich zu meinem 8. Geburtstag als Geschenk einem Apfel.
| My grandmother's birthday was on December 30, and it could not be celebrated, and nobody remembered it. My grandmother
was a very strict woman. We had to be always good. But our hands were freezing, and we had cold feet, and she warmed our feet
with a warm stone. I don't know how she had did it, but in the barracks, she had an apple for me for my 8th birthday as a gift. |
Wie gesagt, es war für mich trotzdem alles ein Abenteuer.
| As I said, it was an adventure for me despite everything. |
In diesem Lager sind viele Krankheiten und Seuchen ausgebrochen. Wir mußten unsere Großmutter Anna, die am30.01.1946
verstarb und Großvater Franz Knuth, der am 22.01.1946 verstarb, in Zerbst lassen. Mein Bruder Hans Jürgen erkrankte, später kam
er wieder zu uns. Es sind viele im Lager verstorben. Es waren Seuchen wie Fleckfieber, Cholera und Pocken, die die Leute dort
sterben ließen.
| Many diseases broke out in this camp. Our grandmother Anna, died the morning of January 30, 1946, and grandfather Franz
Knuth, died on the January 21, 1946, in Zerbst. My brother Hans Jürgen fell ill, but he recovered. Many in the camp died. There
were diseases such as typhus, cholera and smallpox, which caused the death of many people. |
Ein einzelner Musiker spielte auf seine Violine, auf einer Holzkiste stehend das Lied „Da streiten sich die Leut herum“.
Es war für mich sehr bewegend. Diese Lied habe ich nach 40 Jahren mit meiner „Cymbal“ gespielt und gesungen.
| A single musician played on his violin, standing on a wooden box the song "Da streiten sich die Leut herum". It was
very moving for me. I have played this song after 40 years with my "Cymbal" and have sung. |
Die nächste Station war ein kleiner Ort, Mühlstedt, in Sachsen Anhalt. Dort wurden wir zu den einzelnen Bauern gebracht. Mein Vater
war aus der amerikanischen Gefangebschaft entlassen und fand uns dort. Die Arbeit meiner Eltern bestand darin, die Familie mit
Lebensmitteln zu versorgen.
| The next stop was a small village, Mühlstedt, in Saxony Anhalt. There we were taken to the individual farmers. My father was
released from the American detention camp and found us there. The work of my parents was to provide the family with food. |
Auf den abgeernteten Feldern wurden Ähren gesammelt und Kartoffeln gesucht. Wir Kinder mußten natürlich mithelfen. Vater
arbeitete als Waldarbeiter. Wir suchten Altmetall und verkauften es an einen Händler. Vater hat Körbe und Brotkörbe geflochten.
Alles wurde in Mehl, Kartoffeln oder Brot eingetauscht.
| In the fields already harvested, we searched for corn and potatoes. We children had to help, of course. Father worked as
a forest worker. We searched scrap metal and sold it to a dealer. Father wove baskets and bread baskets. Everything was exchanged
for flour, potatoes or bread. |
Wir wohnten sehr beengt und es ergab sich die Möglichkeit, außerhalb eine Wohnung zu beziehen.
| We lived very cramped conditions, and then there was an opportunity to purchase an apartment outside. |
Wir wurden von Sowjetsoldaten beobachtet.
| We were watched by Soviet soldiers; |
Und so dauerte es auch nicht lange, dass wir von diesen Soldaten abends aufgesucht wurden. Vater wurde mit einer Pistole
bedroht, Mutter wurde mit Waffengewalt gezwungen und meine 14 jährige Schwester mußte auch einem Soldaten zu willen sein. Wir
Jungen saßen alle in dem selben Raum in dem meine Schwester vergewaltigt wurde.
| And so it was not long before we were visited by these soldiers in the evening. They held guns on my father, while mother
and my 14 year old sister were forced at gunpoint to submit to the soldiers. We boys were all sitting in the room while my sister
was raped. |
Nach diesem Vorfall bekamen wir bei einem anderen Bauern eine Wohnung.
| After this incident we got an apartment by another farmer. |
Im Herbst 1949 bot der DDR Staat den Bauern eine Hofstelle an, die von einem aufgeteilten Gut stammte. Wir zogen nach Buro
und waren „freie Bauern“. Dieses Verteilen von Land hatte nur den Zweck, sie in eine LPG ( Kolchose ) zu zwingen.
| In autumn of 1949, the state offered farms to the GDR farmers, which came from an estate which had been split up. We moved
to Buro and were "free farmers". The only purpose of this distribution of land was to force them into a collective farming (kolkhozes).
|
Es gab immer wieder Bauernversammlungen, die den Bauern den Eintritt in die LPG schmackhaft machen sollten. Mein Vater,
in Pommern ein freier Bauer, konnte den Mund nicht halten und fiel politisch in Ungnade. Er bekam von einem Freund die Nachricht,
dass er verhaftet werden sollte.
| There were many meetings with the farmers, and the farmers were encouraged to join the collective farms. My father, who had
been a free peasant in Pomerania, could not keep his mouth shut and fell out of favor politically. He got the news from a friend
that he would be arrested. |
Nun ging alles ganz schnell.Eine kleine Reisetasche wurde gepackt und ab in die Bundesrepublik.
| Now everything went very quickly. A small overnight bag was packed and we left for the Federal Republic. |
Es war der 08.06.1953, als mein Vater und ich mit dem Zug nach Westberlin fuhren. Wir hatten keine Personenkontrolle.
Meine Mutter mit den drei jüngern Geschwistern wurden aus dem Zug herausgeholt und wurden befragt. Wohin, warum und wie lange
die Reise dauern sollte. Alle Fragen wurden ohne negatives Ergebnis beantwortet. Doch zum Schluß die Frage an Bruder Hans
Jürgen: „Und wann kommt der Vater nach“? Die Antwort war so einfach wie einleuchtend: „Der kann ja nicht kommen, der muß die
Tiere füttern.“ Mit dem nächsten Zug durften sie weiter fahren.
| It was June 8, 1953, when my father and I went by train to West Berlin. We had no screening. My mother and my three
brothers were taken off the train and were questioned. Where were they going, why and how long would the journey take? All
questions were answered with no problems. But at the end they asked my brother Hans Jürgen: "And when is your father coming"?
The answer was simple: "He cannot come, as he must feed the animals." They were allowed to leave on the next train. |
Wir trafen uns alle an der Registrierungsstelle in Berlin. Meine Schwester Gisela und Bruder Konrad kamen ein paar
Wochen später nach. Wir fanden alle eine Lehrstelle, um einen Beruf zu erlernen. Ich lernte in der Landwirtschaft und später
wurde ich Postbeamter.
| We all met at the registration office in Berlin. My brother and sister Konrad and Gisela arrived a few weeks later after.
We found all apprenticeships to learn a trade. I learned agricultural work, and later was a postal worker. |
Seit die Mauer gefallen ist, sind wir immer wieder nach Pommern gefahren.
| When the Wall fell, we went back to Pomerania. |
Meine Gefühle, die ich habe, verfasste ich in dem folgendem Lied. Ich schrieb es nach einem Besuch in Pommern.
| I expressed my feelings in the following song, which I wrote after a visit to Pomerania |
Mein Leben als Kind - ein großes Abenteuer?
| My life as a child - a big adventure? |
Andreas Leistikow |